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E-Fuels: The next big thing?

E-Fuels, auch synthetische Treibstoffe genannt, sind in aller Munde. Und zugegeben: In der Theorie klingt es ja auch verlockend. Die Zutaten sind Wasserstoff, Kohlendioxid, also das böse CO2, und Strom – und fertig ist der nachhaltige Wundertreibstoff. Und das Beste: E-Fuels können in bestehenden Verbrennungsmotoren verwendet werden. Es wäre also fast alles perfekt – wenn da nur die Physik nicht wäre. Aber lesen Sie selbst.

Eigentlich war ja alles in trockenen Tüchern. Das EU-Verbrenner-Verbot ab 2035 war beschlossene Sache. Nur hat die EU nicht mit dem deutschen Verkehrsminister Volker Wissing gerechnet. Dieser wehrte sich mit Haut und Haaren dagegen. Und erhielt Verstärkung von prominenter Seite. Christian Lindner, seines Zeichens Bundesvorsitzender der FDP und seit dem 8. Dezember 2021 Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland, unterstützte seinen Parteikollegen vehement. Nach wochenlangem Streit zwischen Deutschland und der EU, begleitet von unschönen Nebengeräuschen, gab es für Wissing und Lindner einen kleinen Teilerfolg. Das Verbot für Benziner und Diesel ab 2035 blieb zwar bestehen, aber durch einen kleinen Zusatz sollen Verbrenner dank synthetischen Kraftstoffen auch nach 2035 zugelassen werden können. Ob diese Zusatzbestimmung in sperrigem Bürokratendeutsch – «delegierter Rechtsakt» genannt – Bestand haben wird, ist allerdings noch gar nicht klar. Rechtlich steht alles auf wackeligen Beinen.

Neben dem politischen und juristischen Hickhack, liebe Leserinnen und Leser, gibt es aber eine viel wichtigere Frage: Machen synthetische Treibstoffe überhaupt Sinn? Hier schon mal die Antwort der Physik: Nie und nimmer. Aber alles schön der Reihe nach.

Wie werden E-Fuels eigentlich hergestellt?

Das Prinzip ist einfach: Wie bei einem Kochrezept braucht es Zutaten. Bei E-Fuels sind dies Wasser, CO2 und Energie. Es wird also kein Erdöl benötigt. Das sind die «good news». Bei der Herstellung werden die chemischen Moleküle, aus denen auch fossiles Erdöl besteht, ganz einfach künstlich nachgebaut. Aber wie geht das?

1. Wasserstoff

E-Fuels benötigen zunächst Wasserstoff, also die Zutat Nummer eins. Dieser wird mittels Elektrolyse unter Zufuhr von Energie aus Wasser gewonnen – sprich, Wasser wird in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten. Und hier kommt schon die erste Krux. Das braucht ziemlich viel Energie in Form von Strom. Und dieser Strom muss nachhaltig produziert werden, sonst macht das Ganze herzlich wenig Sinn.

2. Kohlendioxid

Die Zutat Nummer zwei ist Kohlendioxid – also CO2. Davon gibt es in der Atmosphäre ja bekanntlich mehr als genug. Also einfach das CO2 aus der Luft filtern, und wir haben eine Win-win-Situation. Und hier kommt die zweite Krux. Die Konzentration von CO2 in der Luft ist so klein, dass sich dieser Prozess nicht wirklich lohnt – oder zumindest aufwendig und damit sehr teuer ist.

3. Es ist kompliziert

Damit ist aber noch nicht Schluss. Über das Zwischenprodukt Methanol muss das künftige E-Fuel in einem weiteren Prozessschritt, der sogenannten Methanisierung, zuerst zu Rohbenzin weiterverarbeitet werden. Eine Alternative ist das Verbinden von Wasserstoff und Kohlendioxid in einer Fischer-Tropsch-Synthese. Mit diesem synthetisch hergestellten Rohöl-Substitut kann dann in einem letzten Schritt das magische E-Fuel als künstliches Benzin oder Diesel hergestellt werden. Klingt kompliziert? Ist es auch.

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An der E-Mobilität für den Personenverkehr führt kein Weg vorbei
Hans Fischer
Mitinhaber Solar Manager | Photovoltaik- und E-Mobility-Enthusiast

Aber es kommt noch schlimmer für die E-Fuels!

Nehmen wir an, dass es Unmengen an überschüssigem Strom aus neuen erneuerbaren Energien gäbe – was natürlich utopisch ist, aber wir machen ja hier nur ein kleines Gedankenspiel. Und nehmen wir zudem an, dass wir das benötigte Kohlendioxid ohne übermässigen Aufwand gewinnen könnten. Dann hätten wir ein Nullsummenspiel und würden den Anteil der Treibhausgase in der Atomsphäre unseres blauen Planeten trotz eines Verbrennungsprozesses nicht erhöhen. Wir könnten sogar die vorhandene Motorentechnik und Infrastruktur weiterhin nutzen. Aber eben, da gibt es noch die Physik und mit ihr mein Lieblingswort: Effizienz.

Etwas vereinfacht erklärt, können wir zwischen «well to tank», sinngemäss Bohrloch zu Tank, und «tank to wheel», also Tank zu Rad, unterscheiden. Und da zeigt sich sehr schnell, dass E-Fuels, und übrigens auch Wasserstoff, gegenüber reinen Stromern ziemlich alt aussehen.

1. Well to Tank

Bei «well to tank» gibt es bei Strom logischerweise fast keine Verluste. Es gibt ja kein Bohrloch. Bei E-Fuels gehen bei der Elektrolyse, also der Gewinnung von Wasserstoff, schon mal 24 % verloren. Im nächsten Schritt gehen bei der Abscheidung von CO2 aus der Luft noch einmal rund 21 % verloren. Am Ende bleiben also gerade mal 55 % übrig. Beim Strom liegt dieser Wert bei 94 %.

2. Fahrende Backöfen

Bei der Tank-zu-Rad-Effizienz kommt es für E-Fuels noch dicker. Verbrennungsmotoren sind notorisch ineffizient. Sie wurden auch schon mal als fahrende Backöfen bezeichnet. Von den 55 % Energie, die aus der Produktion noch übrig sind, gehen im zweiten Schritt, im Verbrennungsprozess, ganze 64 % bis 70 % als Wärme verloren. Am Ende bleiben noch mickrige 20 % (Diesel) respektive 16 % (Benzin) der Energie für den Antrieb übrig. Strom ist auch bei Tank zu Rad dank den Elektromotoren und dem fehlenden Verbrennungsprozess deutlich überlegen. Gerade mal 5 % gehen hier verloren. Dazu kommen noch kleine Verluste bei der Umwandlung oder beim Laden von Strom. Am Ende bleiben immer noch satte 77 % Energie für den Antrieb übrig.

3. Vergleich

Hier noch mal als Zusammenfassung:

  • Effizienz E-Fuel-Fahrzeuge: 16 % bis 20 %
  • Effizienz Elektroautos: 77 %

Ein Auto mit E-Fuels braucht für die gleiche Strecke also drei- bis fünfmal mehr Energie als ein Auto, das direkt mit Strom angetrieben wird. Warum Herr Wissing und Herr Lindner einen Kraftstoff retten wollen, den es noch gar nicht zu kaufen gibt und der für Personenkraftwagen fürchterlich ineffizient ist, bleibt wohl ihr Geheimnis.

Lichtblick für den Luft- und Schiffsverkehr

Einen Lichtblick für E-Fuels gibt es aber trotzdem: Insbesondere für den Luft- und Schiffsverkehr wird es in Zukunft weiterhin flüssige Kraftstoffe in grossen Mengen benötigen. Für Pkws ist der batterieelektrische Weg aber vorgezeichnet und sinnvoll.

1. Podcast

Wenn Sie noch mehr zum Thema E-Fuels wissen möchten, empfehle ich Ihnen den Podcast «Das Politikteil» unserer Kollegen Ileana Grabitz und Peter Dausend mit dem «Autopapst» Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer. Ab Minute 14 wird es richtig spannend. Zum Podcast geht es hier.

2. TV-Sendung

Sollten Sie nach der Lektüre dieses E-Blogs und dem Podcast mit Ferdinand Dudenhöffer immer noch an der Idee von E-Fuels für Pkws festhalten, was ich mir nicht vorstellen kann, empfehle ich Ihnen die TV-Sendung mit ZDF-Professor Harald Lesch. 21 gut investierte Minuten. Zur Sendung geht es hier.

3. Wissenschaftlicher Bericht

Und zu guter Letzt: Von Stickoxiden, Ammoniak oder Partikeln, die auch bei der Verbrennung von E-Fuels entstehen, haben wir, geschätzte Leserinnen und Leser, in diesem Blog noch gar nicht gesprochen. Falls Sie nicht warten wollen, bis wir uns diesem Thema widmen, lege ich Ihnen einen Bericht des französischen Forschungsinstituts IFP Énergies nouvelles (IFPEN) von 2022 ans Herz. Zum IFPEN geht es hier.