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Gesucht: Elektroauto-ladestationtarifversteher.
Eigentlich könnte es so einfach sein. Mit dem Elektroauto losfahren, bei Bedarf bei der nächsten öffentlichen Ladestation anhalten – es gibt in der Schweiz bereits rund 5500 davon -, Strom «tanken», einen Espresso oder einen Latte macchiato trinken, bezahlen - und weiter geht’s. Aber ganz so einfach machen es uns die Stromtankstellenanbieter leider nicht.
Falls Sie, sehr verehrte Leserinnen und Leser, ein Elektroauto mit einer schicken 22-kW-Ladestation in der Garage haben und zum Schweizer Durchschnitt gehören, der täglich nur rund 35 Kilometer mit dem Auto zurücklegt, dürfte Sie das Tarif-Chaos an den öffentlichen Ladestationen herzlich wenig interessieren. Falls Sie aber, wie ich, hin und wieder eine solche Ladestation aufsuchen müssen, dürfte Ihnen das Gefühl der totalen Verwirrung nicht unbekannt sein.
Unterschiedliche Lade-Leistung, verschiedene Lade-Geschwindigkeiten, Abrechnung nach Leistung, Energie oder Zeit, Roaminggebühren, Grundgebühren, Preisabstufungen nach Langsam- oder Schnell-Laden (AC oder DC), mannigfache Abo-Preismodelle, Kosten für Ladekarten und, und,und - kundenfreundlich ist das nicht.
Ein Beispiel gefällig?
UBS Gossau, 22 kW: CHF 0.30 pro kWh + CHF 1.00 pro h; Winterthur, e360°, 22 kW: CHF 0.25 pro kWh + CHF 2.00 pro h; Muri bei Bern, Tiefgarage Sternen, 22 kW: CHF 0.43 pro kWh + CHF 2.00 pro h.
Raststätte Forrenberg Nord, GOFAST, 80 kW, CHF 0.29 pro kWh + CHF 0.29 pro Min.; Mendrisio FoxTown, GOFAST, 100 kW: CHF 0.45 pro kWh + CHF 0.25 pro Min. nach der ersten kostenlosen Stunde; Winterthur, GOFAST, 100 kW: CHF 0.38 pro kWh + CHF 0.21 pro Min. + CHF 1.50 für Zugang.
Verwirrt? Dann lesen Sie das nächste Beispiel, um den Status der totalen Verwirrung zu erreichen.
22 kW | Energieverbrauch: CHF 0.62 pro kWh
20 kW | Energieverbrauch: CHF 0.69 pro kWh, zusätzlich CHF 0.17 pro Minute Ladedauer
Kleingedruckt: Die Preise sind nur mit PnR-App und RFID-Karte gültig!
So hat jeder sein eigenes - mehr oder weniger komplexes - Preismodell. Nun ist es durchaus verständlich, dass die Preise pro kWh Strom von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich sind. Schliesslich kennen wir bei den Benzin- und Dieselpreisen auch einen Wettbewerb, was für uns Kundinnen und Kunden durchaus seine Vorteile hat. Auch dass sich die Kosten pro Kilowattstunde Strom über die Zeit verändern, ist kein Problem und auch nicht verwunderlich. Auch der Preis für Diesel oder Benzin hat sich in den letzten Wochen fast schon täglich bewegt. Zum Leidwesen vieler steil nach oben.
Was aber ärgerlich ist und zu allgemeinem Kopfschütteln führt, ist die Kosten-Intransparenz. Bei den Benzin- oder Dieselpreisen sehen wir mit einem kurzen Blick auf die Tanksäule, ob diese ein Schnäppchen oder exorbitant hoch sind – und wechseln bei Bedarf kurzerhand die Tankstelle. Bei den heutigen Stromtankstellen muss hingegen erst eine Gleichung mit gefühlten 5 Variablen gelöst werden, bevor die tatsächlichen Stromkosten pro 100 Kilometer Fahrt ersichtlich sind.
Somit gibt es trotz der hohen Dichte an öffentlichen Ladestationen in der Schweiz - es sind über 5500 mit über 10 000 Ladepunkten - den Wermutstropfen der Intransparenz und der teilweise hohen Strompreise.
Der Markt der Elektromobilität ist im Aufbau und steht erst am Anfang einer spannenden Entwicklung. Hoffen wir, dass die Anbieter von öffentlichen Ladestationen diese Entwicklung mitmachen. Oder Sie als Elektroauto-Fan verzichten auf lange Fahrten mit dem E-Auto, installieren eine Wallbox bei sich zu Hause und laden bequem und kostengünstig, während Sie in der eigenen Küche einen günstigen Kaffee trinken. In diesem Fall muss Sie der Tarif-Dschungel bei öffentlichen Ladestationen nicht wirklich interessieren.
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Wenn Sie noch mehr zu den unterschiedlichen Preismodellen wissen und sich zu einem Elektroautoladestationtarifversteher mausern möchten, finden Sie eine Übersicht hier.
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Wenn Sie mehr zum «Recht auf Laden» erfahren möchten, laden wir Sie ein, unseren E-Blog 1 nachzulesen. Und zwar genau hier.
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Alles andere zum Thema Laden finden Sie hier.